Programmübersicht

Konzeption der Veranstaltungsreihe

 

Thema
der Veranstaltungsreihe ist die folgende Problemstellung: Welchen Stellenwert besitzen heute die technologischen Mittel in der Ästhetik? Ausgehend von musiktheoretischen Problemen soll anhand dieser Frage der Begriff des Kunstwerks im technologischen Zeitalter neu erörtert werden.

Anlass
für die Erörterung ist die literarische "Dämonisierung" der Technik in Thomas Manns Roman Dr. Faustus. Dessen Hauptfigur, dem Komponisten Adrian Leverkühn, gelingt der Ausbruch aus dem Systemzwang seiner musikalischen Tradition in eine neue Epoche der Musik nur um den Preis des menschlichen Opfers: der Aufopferung seiner gesamten Existenz und der Existenz seiner zwischenmenschlichen Umwelt. Dieser Durchbruch eines im humanen Sinn fragwürdig Neuen lanciert sein realhistorisches Pendant: die schönbergsche Zwölftontechnik. Arnold Schönbergs Inauguration der Dodekaphonie steht am Beginn einer Entwicklung der Musik, die in Parallele zu einer gleichfalls von der Technologie erfassten Entwicklung in Philosophie, Kunst und den Naturwissenschaften die kompositionstechnische Ausgangslage und die Rahmenbedingungen für eine wirkliche Neue Musik der späteren europäischen Avantgarde geschaffen hat.
Heute stellt sich in vergleichbarer Weise die Frage: Wie lässt sich der Einsatz und die als Traditionsbruch empfundene 'Fassungslosigkeit' einer durchdigitalisierten Technologie im Rahmen einer zeitgemäßen Ästhetik angemessen fassen? Um diese Frage zu beantworten, muss das Selbstverständnis der - mit dem Ursprung der modernen Musik bei Schönberg verklammerten - Tradition hinterfragt und das Verhältnis von Musik, Kunst und philosophischer Ästhetik auf einen neuen Begriff gebracht werden. Wir wollen damit der auf dem Gebiet der produktiven Kultur allzu leichtfertig diskreditierten Technik und Technologie den ihr gebührenden Stellenwert verschaffen. Damit wäre der Technik zumindest insoweit geholfen, als man den Versuch unternimmt, sie ästhetisch und gesellschaftlich anders zu integrieren, als es bislang der Fall war. Wir verbinden damit den Anspruch, den traditionellen Nimbus einer bloß herstellenden, verrechnenden Negativität (z.B. als Destruktivität eines unreflektierten Fortschritts) umzuwandeln in eine kritisch-produktive Positivität der durch sie für alle Bereiche eröffneten Möglichkeiten. Auf diesem Wege könnten sich Denkblockaden lösen, künstlerische Ressourcen freisetzen lassen und innovative Querverbindungen zwischen Musik, Kunst und Philosophie entstehen.

Die begleitende Ausstellung
Thomas Manns Dr. Faustus des Buddenbrookhauses Lübeck, die bereits erfolgreich u.a. in Paris, München und Zürich gezeigt wurde, illustriert in literarischer Weise das Zusammenspiel von Musik, Technik und philosophischem Denken.

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